DRITTER AUFZUG
Auf dem Gipfel eines Felsenberges. VORSPIEL UND ERSTE SZENE
(Gerhilde, Ortlinde, Waltraute
und Schwertleite haben sich auf der Felsspitze, an und über der Höhle,
gelagert, sie sind in voller Waffenrüstung.) GERHILDE (zuhöchst gelagert und dem
Hintergrunde zurufend, wo ein starkes Gewölk herzieht) Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Heiaha! HELMWIGES STIMME (im Hintergrunde) Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! (In dem Gewölk bricht
Blitzesglanz aus; eine Walküre zu Roß wird in ihm sichtbar: über ihrem Sattel
hängt ein erschlagener Krieger. Die Erscheinung zieht, immer näher, am
Felsensaume von links nach rechts vorbei) GERHILDE, WALTRAUTE UND
SCHWERTLEITE (der Ankommenden
entgegenrufend) Heiaha! Heiaha! (Die Wolke mit der Erscheinung
ist rechts hinter dem Tann verschwunden) ORTLINDE (in den Tann hineinrufend) Zu Ortlindes Stute stell deinen Hengst: WALTRAUTE (hineinrufend) Wer hängt dir im Sattel? HELMWIGE (aus dem Tann auftretend) Sintolt, der Hegeling! SCHWERTLEITE Führ' deinen Brauen fort von der Grauen: GERHILDE (ist etwas näher
herabgestiegen) Als Feinde nur sah ich Sintolt und Wittig! ORTLINDE (springt auf) Heiaha! Die Stute stößt mir der Hengst! (Sie läuft in den Tann) (Schwertleite, Gerhilde und
Helmwige lachen laut auf) GERHILDE Der Recken Zwist entzweit noch die Rosse! HELMWIGE (in den Tann zurückrufend) Ruhig, Brauner! WALTRAUTE (auf der Höhe, wo sie für
Gerhilde die Wacht übernommen, nach rechts in den Hintergrund rufend) Hoioho! Hoioho! (Sie lauscht nach rechts) SIEGRUNES STIMME (von der rechten Seite des
Hintergrundes her) Arbeit gab's! SCHWERTLEITE UND WALTRAUTE (nach rechts in den
Hintergrund rufend) Hojotoho! Hojotoho! GERHILDE Heiaha! (Ihre Gebärden sowie ein
heller Glanz hinter dem Tann zeigen an, daß soeben Siegrune dort angelangt ist.
Aus der Tiefe hört man zwei Stimmen zugleich) GRIMGERDE UND ROßWEIßE (links im Hintergrunde) Hojotoho! Hojotoho! WALTRAUTE (nach links) Grimgerd' und Roßweiße! GERHILDE (ebenso) Sie reiten zu zwei. (In einem blitzerglänzenden
Wolkenzuge, der von links her vorbeizieht, erscheinen Grimgerde und Roßweiße,
ebenfalls auf Rossen, jede einen Erschlagenen im Sattel führend. Helmwige,
Ortlinde und Siegrune sind aus dem Tann getreten und winken vom Felsensaume den
Ankommenden zu) HELMWIGE, ORTLINDE UND SIEGRUNE Gegrüßt, ihr Reisige! ROßWEIßES UND GRIMGERDES
STIMMEN Hojotoho! Hojotoho! (Die Erscheinung verschwindet
hinter dem Tann) DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Heiaha! GERHILDE (in den Tann rufend) In Wald mit den Rossen zu Weid' und Rast! ORTLINDE (ebenfalls in den Tann rufend) Führet die Mähren fern von einander, (Die Walküren lachen) HELMWIGE (während die anderen lachen) Der Helden Grimm büßte schon die Graue! (Die Walküren lachen) ROßWEIßE UND GRIMGERDE (aus dem Tann tretend) Hojotoho! Hojotoho! DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN Willkommen! Willkommen! SCHWERTLEITE Wart ihr Kühnen zu zwei? GRIMGERDE Getrennt ritten wir und trafen uns heut'. ROßWEIßE Sind wir alle versammelt, so säumt nicht
lange: HELMWIGE Acht sind wir erst: eine noch fehlt. GERHILDE Bei dem braunen Wälsung WALTRAUTE Auf sie noch harren müssen wir hier: SIEGRUNE (auf der Felswarte, von wo sie
hinausspäht) Hojotoho! Hojotoho! (in den Hintergrund rufend) Hieher! Hieher! (zu den anderen) In brünstigem Ritt DIE ACHT WALKÜREN (alle eilen auf die Warte) Hojotoho! Hojotoho! (Sie spähen mit wachsender
Verwunderung) WALTRAUTE Nach dem Tann lenkt sie das taumelnde Roß. GRIMGERDE Wie schnaubt Grane vom schnellen Ritt! ROßWEIßE So jach sah ich nie Walküren jagen!
ORTLINDE Helft der Schwester (Gerhilde und Helmwige stürzen
in den Tann) (Siegrune und Roßweiße laufen
ihnen nach) HELMWIGE, GERHILDE, SIEGRUNE,
ROßWEIßE Hojotoho! Hojotoho! ORTLINDE, WALTRAUTE, GRIMGERDE,
SCHWERTLEITE Heiaha! WALTRAUTE (in den Tann blickend) Zu Grunde stürzt Grane, der Starke! GRIMGERDE Aus dem Sattel hebt sie hastig das Weib! ORTLINDE, WALTRAUTE, GRIMGERDE,
SCHWERTLEITE (alle in den Tann laufend) Schwester! Schwester! Was ist geschehn? (Alle Walküren kehren auf die
Bühne zurück; mit ihnen kommt Brünnhilde, Sieglinde unterstützend und
hereingeleitend) BRÜNNHILDE (atemlos) Schützt mich und helft in höchster Not! DIE ACHT WALKÜREN Wo rittest du her in rasender Hast? BRÜNNHILDE Zum erstenmal flieh' ich und bin verfolgt: DIE ACHT WALKÜREN (heftig erschreckend) Bist du von Sinnen? Sprich! Sage uns! Wie? BRÜNNHILDE (wendet sich ängstlich, um zu
spähen, und kehrt wieder zurück) O Schwestern, späht von des Felsens Spitze! (Ortlinde und Waltraute
springen auf die Felsenspitze zur Warte) Schnell! Seht ihr ihn schon? ORTLINDE Gewittersturm naht von Norden. WALTRAUTE Starkes Gewölk staut sich dort auf! DIE WEITEREN SECHS WALKÜREN Heervater reitet sein heiliges Roß! BRÜNNHILDE Der wilde Jäger, der wütend mich jagt, SECHS WALKÜREN Was ist mit dem Weibe? BRÜNNHILDE Hört mich in Eile:
Der traf ihn da selbst mit dem Speer: (kleinmütig) ihr berget vor dem strafenden Streich! SECHS WALKÜREN (in größter Bestürzung) Betörte Schwester, was tatest du? WALTRAUTE (von der Warte) Nächtig zieht es von Norden heran. ORTLINDE (ebenso) Wütend steuert hieher der Sturm. ROßWEIßE, GRIMGERDE,
SCHWERTLEITE (dem Hintergrunde zugewendet) Wild wiehert Walvaters Roß. HELMWIGE, GERHILDE,
SCHWERTLEITE Schrecklich schnaubt es daher! BRÜNNHILDE Wehe der Armen, wenn Wotan sie trifft: SIEGRUNE Auch uns rätst du rasenden Trotz? BRÜNNHILDE Roßweiße, Schwester, ROßWEIßE Vor Walvater floh der fliegende nie. BRÜNNHILDE Helmwige, höre! HELMWIGE Dem Vater gehorch' ich. BRÜNNHILDE Grimgerde! Gerhilde! Gönnt mir eu'r Roß! SIEGLINDE (die bisher finster und kalt
vor sich hingestarrt, fährt, als Brünnhilde sie lebhaft - wie zum Schutze -
umfaßt, mit einer abwehrenden Gebärde auf)
BRÜNNHILDE Lebe, o Weib, um der Liebe willen! (stark und drängend) ein Wälsung wächst dir im Schoß! SIEGLINDE (erschrickt zunächst heftig;
sogleich strahlt aber ihr Gesicht in erhabener Freude auf) Rette mich, Kühne! Rette mein Kind! (Immer finstereres Gewitter
steigt im Hintergrunde auf: nahender Donner) WALTRAUTE (auf der Warte) Der Sturm kommt heran. ORTLINDE (ebenso) Flieh', wer ihn fürchtet! DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN Fort mit dem Weibe, droht ihm Gefahr: SIEGLINDE (auf den Knien vor Brünnhilde) Rette mich, Maid! Rette die Mutter! BRÜNNHILDE (mit lebhaftem Entschluß hebt
sie Sieglinde auf) So fliehe denn eilig - und fliehe allein! SIEGLINDE Wohin soll ich mich wenden? BRÜNNHILDE Wer von euch Schwestern schweifte nach Osten? SIEGRUNE Nach Osten weithin dehnt sich ein Wald: SCHWERTLEITE Wurmesgestalt schuf sich der Wilde: GRIMGERDE Nicht geheu'r ist's dort für ein hilflos' Weib. BRÜNNHILDE Und doch vor Wotans Wut schützt sie sicher der
Wald: WALTRAUTE (auf der Warte) Furchtbar fährt SECHS WALKÜREN Brünnhilde, hör' seines Nahens Gebraus'! BRÜNNHILDE (Sieglinde die Richtung
weisend) Fort denn eile, nach Osten gewandt! (Sie zieht die Stücken von
Siegmunds Schwert unter ihrem Panzer hervor und überreicht sie Sieglinde) Verwahr' ihm die starken Schwertesstücken; SIEGLINDE (in größter Rührung) O hehrstes Wunder! Herrlichste Maid! (Sie eilt rechts im
Vordergrunde von dannen. - Die Felsenhöhe ist von schwarzen Gewitterwolken
umlagert; furchtbarer Sturm braust aus dem Hintergrunde daher, wachsender
Feuerschein rechts daselbst) WOTANS STIMME Steh'! Brünnhild'! (Brünnhilde, nachdem sie eine
Weile Sieglinde nachgesehen, wendet sich in den Hintergrund, blickt in den Tann
und kommt angstvoll wieder vor) ORTLINDE UND WALTRAUTE (von der Warte herabsteigend) Den Fels erreichten Roß und Reiter! ALLE ACHT WALKÜREN Weh', Brünnhild'! Rache entbrennt! BRÜNNHILDE Ach, Schwestern, helft! Mir schwankt das Herz! DIE ACHT WALKÜREN (flüchten ängstlich nach der
Felsenspitze hinauf; Brünnhilde läßt sich von ihnen nachziehen) Hieher, Verlor'ne! Laß dich nicht sehn! (Sie verbergen Brünnhilde
unter sich und blicken ängstlich nach dem Tann, der jetzt von grellem
Feuerschein erhellt wird, während der Hintergrund ganz finster geworden ist) Weh'! Wütend
schwingt sich Wotan vom Roß! - |