VIERTE SZENE
(Brünnhilde, ihr Roß am Zaume
geleitend, tritt aus der Höhle und schreitet langsam und feierlich nach vorne.
Sie hält an und betrachtet Siegmund von fern. Sie schreitet wieder langsam vor.
Sie hält in größerer Nähe an. Sie trägt Schild und Speer in der einen Hand,
lehnt sich mit der andern an den Hals des Rosses und betrachtet so mit ernster
Miene Siegmund) BRÜNNHILDE Siegmund! Sieh auf mich! SIEGMUND (richtet den Blick zu ihr auf) Wer bist du, sag', BRÜNNHILDE Nur Todgeweihten taugt mein Anblick; SIEGMUND (blickt ihr lange forschend
und fest in das Auge, senkt dann sinnend das Haupt und wendet sich endlich mit
feierlichem Ernste wieder zu ihr) Der dir nun folgt, wohin führst du den Helden? BRÜNNHILDE Zu Walvater, der dich gewählt, SIEGMUND In Walhalls Saal Walvater find' ich allein? BRÜNNHILDE Gefallner Helden hehre Schar SIEGMUND Fänd' ich in Walhall Wälse, den eignen Vater? BRÜNNHILDE Den Vater findet der Wälsung dort. SIEGMUND Grüßt mich in Walhall froh eine Frau? BRÜNNHILDE Wunschmädchen walten dort hehr: SIEGMUND Hehr bist du, BRÜNNHILDE Erdenluft muß sie noch atmen: SIEGMUND (neigt sich sanft über
Sieglinde, küßt sie leise auf die Stirn und wendet sich ruhig wieder zu
Brünnhilde) So grüße mir Walhall, grüße mir Wotan, (sehr bestimmt) zu ihnen folg' ich dir nicht. BRÜNNHILDE Du sahest der Walküre sehrenden Blick: SIEGMUND Wo Sieglinde lebt in Lust und Leid, BRÜNNHILDE Solang du lebst, zwäng' dich wohl nichts: SIEGMUND Wo wäre der Held, dem heut' ich fiel? BRÜNNHILDE Hunding fällt dich im Streit. SIEGMUND Mit Stärkrem drohe, BRÜNNHILDE (den Kopf schüttelnd) Dir, Wälsung - höre mich wohl: SIEGMUND Kennst du dies Schwert? BRÜNNHILDE (mit stark erhobener Stimme) Der dir es schuf, beschied dir jetzt Tod: SIEGMUND (heftig) Schweig, und schrecke die Schlummernde nicht! (Er beugt sich mit
hervorbrechendem Schmerze zärtlich über Sieglinde) Weh! Weh! Süßestes Weib! (Er neigt sich tief zu
Sieglinde) BRÜNNHILDE (erschüttert) So wenig achtest du ewige Wonne? (zögernd und zurückhaltend) Alles wär' dir das arme Weib, SIEGMUND (bitter zu ihr aufblickend) So jung und schön erschimmerst du mir: BRÜNNHILDE Ich sehe die Not, die das Herz dir zernagt, SIEGMUND Kein andrer als ich soll die Reine lebend
berühren: BRÜNNHILDE (in wachsender
Ergriffenheit) Wälsung! Rasender! Hör' meinen Rat: SIEGMUND (sein Schwert ziehend) Dies Schwert, das dem Treuen ein Trugvoller
schuf;
Beschlossen ist's; das Schlachtlos wend' ich: (Man hört aus dem fernen
Hintergrunde Hornrufe erschallen) Hörst du den Ruf? Nun rüste dich, Held! (Sie stürmt fort und
verschwindet mit dem Rosse rechts in einer Seitenschlucht. Siegmund blickt ihr
freudig und erhoben nach. Die Bühne hat sich allmählich verfinstert; schwere
Gewitterwolken senken sich auf den Hintergrund herab und hüllen die
Gebirgswände, die Schlucht und das erhöhte Bergjoch nach und nach gänzlich ein) |