DRITTE SZENE

(Auf dem Bergjoch angelangt, gewahrt Brünnhilde, in die Schlucht hinabblickend, Siegmund und Sieglinde; sie betrachtet die Nahenden einen Augenblick und wendet sich dann in die Höhle zu ihrem Roß, so daß sie dem Zuschauer gänzlich verschwindet. - Siegmund und Sieglinde erscheinen auf dem Bergjoche. Sieglinde schreitet hastig voraus; Siegmund sucht sie aufzuhalten)

SIEGMUND

Raste nun hier; gönne dir Ruh'!

SIEGLINDE

Weiter! Weiter!

SIEGMUND

(umfaßt sie mit sanfter Gewalt)

Nicht weiter nun!

(Er schließt sie fest an sich)

Verweile, süßestes Weib!
Aus Wonne-Entzücken zucktest du auf,
mit jäher Hast jagtest du fort:
kaum folgt' ich der wilden Flucht;
durch Wald und Flur, über Fels und Stein,
sprachlos, schweigend sprangst du dahin,
kein Ruf hielt dich zur Rast!

Ruhe nun aus: rede zu mir!
Ende des Schweigens Angst!
Sieh, dein Bruder hält seine Braut:
Siegmund ist dir Gesell'!

(Er hat sie unvermerkt nach dem Steinsitze geleitet)

SIEGLINDE

(blickt Siegmund mit wachsendem Entzücken in die Augen, dann umschlingt sie leidenschaftlich seinen Hals und verweilt so; dann fährt sie mit jähem Schreck auf)

Hinweg! Hinweg! Flieh' die Entweihte!
Unheilig umfängt dich ihr Arm;
entehrt, geschändet schwand dieser Leib:
flieh' die Leiche, lasse sie los!

Der Wind mag sie verwehn,
die ehrlos dem Edlen sich gab!

Da er sie liebend umfing,
da seligste Lust sie fand,
da ganz sie minnte der Mann,
der ganz ihre Minne geweckt:
vor der süßesten Wonne heiligster Weihe,
die ganz ihr Sinn und Seele durchdrang,
Grauen und Schauder ob gräßlichster Schande
mußte mit Schreck die Schmähliche fassen,
die je dem Manne gehorcht,
der ohne Minne sie hielt!

Laß die Verfluchte, laß sie dich fliehn!
Verworfen bin ich, der Würde bar!
Dir reinstem Manne muß ich entrinnen,
dir Herrlichem darf ich nimmer gehören.
Schande bring' ich dem Bruder,
Schmach dem freienden Freund!

SIEGMUND

Was je Schande dir schuf,
das büßt nun des Frevlers Blut!
Drum fliehe nicht weiter; harre des Feindes;
hier soll er mir fallen:
wenn Notung ihm das Herz zernagt,
Rache dann hast du erreicht!

SIEGLINDE

(schrickt auf und lauscht)

Horch! Die Hörner, hörst du den Ruf?
Ringsher tönt wütend Getös':
aus Wald und Gau gellt es herauf.
Hunding erwachte aus hartem Schlaf!

Sippen und Hunde ruft er zusammen;
mutig gehetzt heult die Meute,
wild bellt sie zum Himmel
um der Ehe gebrochenen Eid!

(Sieglinde starrt wie wahnsinnig vor sich hin)

Wo bist du, Siegmund? Seh' ich dich noch,
brünstig geliebter, leuchtender Bruder?
Deines Auges Stern laß noch einmal mir strahlen:
wehre dem Kuß des verworfnen Weibes nicht! -

(Sie hat sich ihm schluchzend an die Brust geworfen: dann schrickt sie ängstlich wieder auf)

Horch! O horch! Das ist Hundings Horn!
Seine Meute naht mit mächt'ger Wehr:
kein Schwert frommt
vor der Hunde Schwall:
wirf es fort, Siegmund! Siegmund - wo bist du?
Ha dort! Ich sehe dich! Schrecklich Gesicht!

Rüden fletschen die Zähne nach Fleisch;
sie achten nicht deines edlen Blicks;
bei den Füßen packt dich das feste Gebiß -
du fällst - in Stücken zerstaucht das Schwert:
die Esche stürzt, es bricht der Stamm!
Bruder! Mein Bruder! Siegmund - ha! -

(Sie sinkt ohnmächtig in Siegmunds Arme)

SIEGMUND

Schwester! Geliebte!

(Er lauscht ihrem Atem und überzeugt sich, daß sie noch lebe. Er läßt sie an sich herabgleiten, so daß sie, als er sich selbst zum Sitze niederläßt, mit ihrem Haupt auf seinem Schoß zu ruhen kommt. In dieser Stellung verbleiben beide bis zum Schlusse des folgenden Auftrittes.
Langes Schweigen, währenddessen Siegmund mit zärtlicher Sorge über Sieglinde sich hinneigt und mit einem langen Kusse ihr die Stirne küßt)