ZWEITER AUFZUG
Wildes Felsengebirge
Im Hintergrund zieht sich von unten
her eine Schlucht herauf, die auf ein erhöhtes Felsjoch mündet; von diesem
senkt sich der Boden dem Vordergrunde zu wieder abwärts.
VORSPIEL UND ERSTE SZENE
(Wotan, kriegerisch gewaffnet,
mit dem Speer; vor ihm Brünnhilde, als Walküre, ebenfalls in voller
Waffenrüstung)
WOTAN
Nun zäume dein Roß, reisige Maid!
Bald entbrennt brünstiger Streit:
Brünnhilde stürme zum Kampf,
dem Wälsung kiese sie Sieg!
Hunding wähle sich, wem er gehört;
nach Walhall taugt er mir nicht.
Drum rüstig und rasch, reite zur Wal!
BRÜNNHILDE
(jauchzend von Fels
zu Fels die Höhe rechts hinaufspringend)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha! Hojotoho!
Heiaha!
(Sie hält auf einer hohen
Felsspitze an, blickt in die hintere Schlucht hinab und ruft zu Wotan zurück)
Dir rat' ich, Vater, rüste dich selbst;
harten Sturm sollst du bestehn.
Fricka naht, deine Frau,
im Wagen mit dem Widdergespann.
Hei! Wie die goldne Geißel sie schwingt!
Die armen Tiere ächzen vor Angst;
wild rasseln die Räder;
zornig fährt sie zum Zank!
In solchem Strauße streit' ich nicht gern,
lieb' ich auch mutiger Männer Schlacht!
Drum sieh, wie den Sturm du bestehst:
ich Lustige laß' dich im Stich!
Hojotoho!
Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Heiahaha!
Brünnhilde verschwindet hinter der Gebirgshöhe zur Seite.
In einem mit zwei Widdern bespannten Wagen langt Fricka aus der Schlucht auf dem Felsjoche an, dort hält sie rasch an und steigt aus. Sie schreitet heftig in den Vordergrund auf Wotan zu
WOTAN
(Fricka auf sich zuschreiten
sehend, für sich)
Der alte Sturm, die alte Müh'!
Doch stand muß ich hier halten!
FRICKA
(je näher sie kommt, desto
mehr mäßigt sie den Schritt und stellt sich mit Würde vor Wotan hin)
Wo in den Bergen du dich birgst,
der Gattin Blick zu entgehn,
einsam hier such' ich dich auf,
daß Hilfe du mir verhießest.
WOTAN
Was Fricka kümmert, künde sie frei.
FRICKA
Ich vernahm Hundings Not,
um Rache rief er mich an:
der Ehe Hüterin hörte ihn,
verhieß streng zu strafen die Tat
des frech frevelnden Paars,
das kühn den Gatten gekränkt.
WOTAN
Was so Schlimmes schuf das Paar,
das liebend einte der Lenz?
Der Minne Zauber entzückte sie:
wer büßt mir der Minne Macht?
FRICKA
Wie töricht und taub du dich stellst,
als wüßtest fürwahr du nicht,
daß um der Ehe heiligen Eid,
den hart gekränkten, ich klage!
WOTAN
Unheilig acht' ich den Eid,
der Unliebende eint;
und mir wahrlich mute nicht zu,
daß mit Zwang ich halte, was dir nicht haftet:
denn wo kühn Kräfte sich regen,
da rat' ich offen zum Krieg.
FRICKA
Achtest du rühmlich der Ehe Bruch,
so prahle nun weiter und preis' es heilig,
daß Blutschande entblüht
dem Bund eines Zwillingspaars!
Mir schaudert das Herz, es schwindelt mein Hirn:
bräutlich umfing die Schwester der Bruder!
Wann ward es erlebt,
daß leiblich Geschwister sich liebten?
WOTAN
Heut' hast du's erlebt!
Erfahre so, was von selbst sich fügt,
sei zuvor auch noch nie es geschehn.
Daß jene sich lieben, leuchtet dir hell;
drum höre redlichen Rat:
Soll süße Lust deinen Segen dir lohnen,
so segne, lachend der Liebe,
Siegmunds und Sieglindes Bund!
FRICKA
(in höchste Entrüstung
ausbrechend)
So ist es denn aus mit den ewigen Göttern,
seit du die wilden Wälsungen zeugtest?
Heraus sagt' ich's; - traf ich den Sinn?
Nichts gilt dir der Hehren heilige Sippe;
hin wirfst du alles, was einst du geachtet;
zerreißest die Bande, die selbst du gebunden,
lösest lachend des Himmels Haft: -
daß nach Lust und Laune nur walte
dies frevelnde Zwillingspaar,
deiner Untreue zuchtlose Frucht!
O, was klag' ich um Ehe und Eid,
da zuerst du selbst sie versehrt!
Die treue Gattin trogest du stets;
wo eine Tiefe, wo eine Höhe,
dahin lugte lüstern dein Blick,
wie des Wechsels Lust du gewännest
und höhnend kränktest mein Herz.
Trauernden Sinnes mußt' ich's ertragen,
zogst du zur Schlacht mit den schlimmen Mädchen,
die wilder Minne Bund dir gebar:
denn dein Weib noch scheutest du so,
daß der Walküren Schar
und Brünnhilde selbst, deines Wunsches Braut,
in Gehorsam der Herrin du gabst.
Doch jetzt, da dir neue
Namen gefielen,
als "Wälse" wölfisch im Walde du schweiftest;
jetzt, da zu niedrigster
Schmach du dich neigtest,
gemeiner Menschen ein Paar zu erzeugen:
jetzt dem Wurfe der Wölfin
wirfst du zu Füßen dein Weib!
So führ' es denn aus! Fülle das Maß!
Die Betrogne laß auch zertreten!
WOTAN
(ruhig)
Nichts lerntest du, wollt' ich dich lehren,
was nie du erkennen kannst,
eh' nicht ertagte die Tat.
Stets Gewohntes nur magst du verstehn:
doch was noch nie sich traf,
danach trachtet mein Sinn.
Eines höre! Not tut ein Held,
der, ledig göttlichen Schutzes,
sich löse vom Göttergesetz.
So nur taugt er zu wirken die Tat,
die, wie not sie den Göttern,
dem Gott doch zu wirken verwehrt.
FRICKA
Mit tiefem Sinne willst du mich täuschen:
was Hehres sollten Helden je wirken,
das ihren Göttern wäre verwehrt,
deren Gunst in ihnen nur wirkt?
WOTAN
lhres eignen Mutes achtest du nicht?
FRICKA
Wer hauchte Menschen ihn ein?
Wer hellte den Blöden den Blick?
In deinem Schutz scheinen sie stark,
durch deinen Stachel streben sie auf:
du reizest sie einzig,
die so mir Ew'gen du rühmst,
Mit neuer List willst du mich belügen,
durch neue Ränke
mir jetzt entrinnen;
doch diesen Wälsung gewinnst du dir nicht:
in ihm treff' ich nur dich,
denn durch dich trotzt er allein.
WOTAN
(ergriffen)
In wildem Leiden erwuchs er sich selbst:
mein Schutz schirmte ihn nie.
FRICKA
So schütz' auch heut' ihn nicht!
Nimm ihm das Schwert, das du ihm geschenkt!
WOTAN
Das Schwert?
FRICKA
Ja, das Schwert,
das zauberstark zuckende Schwert,
das du Gott dem Sohne gabst.
WOTAN
(heftig)
Siegmund gewann es sich
(mit unterdrücktem Beben)
selbst in der Not.
(Wotan drückt in seiner ganzen
Haltung von hier an einen immer wachsenden unheimlichen, tiefen Unmut aus)
FRICKA
(eifrig fortfahrend)
Du schufst ihm die Not,
wie das neidliche Schwert.
Willst du mich täuschen,
die Tag und Nacht auf den Fersen dir folgt?
Für ihn stießest du das Schwert in den Stamm,
du verhießest ihm die hehre Wehr:
willst du es leugnen,
daß nur deine List
ihn lockte, wo er es fänd'?
(Wotan fährt mit einer
grimmigen Gebärde auf)
FRICKA
(immer sicherer, da sie den
Eindruck gewahrt, den sie auf Wotan hervorgebracht hat)
Mit Unfreien streitet kein Edler,
den Frevler straft nur der Freie.
Wider deine Kraft
führt' ich wohl Krieg:
doch Siegmund verfiel mir als Knecht!
(Neue heftige Gebärde Wotans,
dann Versinken in das Gefühl seiner Ohnmacht)
Der dir als Herren hörig und eigen,
gehorchen soll ihm dein ewig Gemahl?
Soll mich in Schmach der Niedrigste schmähen,
dem Frechen zum Sporn,
dem Freien zum Spott?
Das kann mein Gatte nicht wollen,
die Göttin entweiht er nicht so!
WOTAN
(finster)
Was verlangst du?
FRICKA
Laß von dem Wälsung!
WOTAN
(mit gedämpfter Stimme)
Er geh' seines Wegs.
FRICKA
Doch du schütze ihn nicht,
wenn zur Schlacht ihn der Rächer ruft!
WOTAN
Ich schütze ihn nicht.
FRICKA
Sieh mir ins Auge, sinne nicht Trug:
die Walküre wend' auch von ihm!
WOTAN
Die Walküre walte frei.
FRICKA
Nicht doch; deinen Willen vollbringt sie
allein:
verbiete ihr Siegmunds Sieg!
WOTAN
(in heftigen inneren Kampf
ausbrechend)
Ich kann ihn nicht fällen: er fand mein
Schwert!
FRICKA
Entzieh' dem den Zauber, zerknick' es dem
Knecht!
Schutzlos schau' ihn der Feind!
BRÜNNHILDE
(noch unsichtbar von der Höhe
her)
Heiaha! Heiaha! Hojotoho!
FRICKA
Dort kommt deine kühne Maid;
jauchzend jagt sie daher.
WOTAN
(dumpf für sich)
Ich rief sie für Siegmund zu Roß!
BRÜNNHILDE
(wie oben)
Heiaha! Heiaha! Heiohotojo! Hotojoha!
(Brünnhilde erscheint mit
ihrem Roß auf dem Felsenpfade rechts. Als sie Fricka gewahrt, bricht sie
schnell ab und geleitet ihr Roß still und langsam während des Folgenden den
Felsweg herab: dort birgt sie es dann in einer Höhle)
FRICKA
Deiner ew'gen Gattin heilige Ehre
beschirme heut' ihr Schild!
Von Menschen verlacht, verlustig der Macht,
gingen wir Götter zugrund:
würde heut' nicht hehr und herrlich mein Recht
gerächt von der mutigen Maid.
Der Wälsung fällt meiner Ehre:
Empfah' ich von Wotan den Eid?
WOTAN
(in furchtbarem Unmut und
innerem Grimm auf einen Felsensitz sich werfend)
Nimm den Eid!
(Fricka schreitet dem
Hintergrunde zu: dort begegnet sie Brünnhilde und hält einen Augenblick vor ihr
an)
FRICKA
(zu Brünnhilde)
Heervater harret dein:
lass' ihn dir künden, wie das Los er gekiest!
(Sie besteigt den Wagen und
fährt schnell davon)
(Brünnhilde tritt mit
besorgter Miene verwundert vor Wotan, der, auf dem Felssitz zurückgelehnt, das
Haupt auf die Hand gestützt, in finstres Brüten versunken ist)
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