Die Walküre ERSTER AUFZUG VORSPIEL UND ERSTE SZENE Das Innere eines Wohnraumes
Um den Eschenstamm, als
Mittelpunkt, ist nun ein Saal gezimmert; die Wände sind aus roh behauenem
Holzwerk, hier und da mit geflochtenen und gewebten Decken behangen. Rechts im Vordergrunde steht
der Herd, dessen Rauchfang seitwärts zum Dache hinausführt: hinter dem Herde
befindet sich ein innerer Raum, gleich einem Vorratsspeicher, zu dem man auf
einigen hölzernen Stufen hinaufsteigt: davor hängt, halb zurückgeschlagen, eine
geflochtene Decke. Im Hintergrunde eine
Eingangstür mit schlichtem Holzriegel. Links die Tür zu einem inneren
Gemache, zu dem gleichfalls Stufen hinaufführen; weiter vornen auf derselben
Seite ein Tisch mit einer breiten, an der Wand angezimmerten Bank dahinter und
hölzernen Schemeln davor. (Ein kurzes Orchestervorspiel
von heftiger, stürmischer Bewegung leitet ein. Als der Vorhang aufgeht,
öffnet Siegmund von außen hastig die Eingangstür und tritt ein: es ist gegen
Abend, starkes Gewitter, im Begriff, sich zu legen. SIEGMUND Wes Herd dies auch sei, hier muß ich rasten. (Er sinkt zurück und bleibt
einige Zeit regungslos ausgestreckt. Sieglinde tritt aus der Tür des inneren
Gemaches; sie glaubte ihren Mann heimgekehrt: ihre ernste Miene zeigt sich dann
verwundert, als sie einen Fremden am Herde ausgestreckt sieht). SIEGLINDE (noch im Hintergrunde) Ein fremder Mann? Ihn muß ich fragen. (Sie tritt ruhig einige
Schritte näher) Wer kam ins Haus und liegt dort am Herd? (Da Siegmund sich nicht regt,
tritt sie noch etwas näher und betrachtet ihn) Müde liegt er, von Weges Müh'n. (Sie neigt sich zu ihm herab
und lauscht) Noch schwillt ihm der Atem; das Auge nur
schloß er. - SIEGMUND (fährt jäh mit dem Haupt in
die Höhe) Ein Quell! Ein Quell! SIEGLINDE Erquickung schaff' ich. (Sie nimmt schnell ein
Trinkhorn und geht damit aus dem Hause. Sie kommt zurück und reicht das
gefüllte Trinkhorn Siegmund) Labung biet' ich dem lechzenden Gaumen: (Siegmund trinkt und reicht
ihr das Horn zurück. Als er ihr mit dem Haupte Dank zuwinkt, haftet sein Blick
mit steigender Teilnahme an ihren Mienen.) SIEGMUND Kühlende Labung gab mir der Quell, SIEGLINDE Dies Haus und dies Weib sind Hundings
Eigen; SIEGMUND Waffenlos bin ich: SIEGLINDE (mit besorgter Hast) Die Wunden weise mir schnell! SIEGMUND (schüttelt sich und springt
lebhaft vom Lager zum Sitz auf) Gering sind sie, der Rede nicht wert; SIEGLINDE (geht nach dem Speicher, füllt
ein Horn mit Met und reicht es Siegmund mit freundlicher Bewegtheit) Des seimigen Metes süßen Trank SIEGMUND Schmecktest du mir ihn zu? Sieglinde nippt am Horne und reicht es ihm wieder. SIEGMUND (mit bebender Stimme) Einen Unseligen labtest du: (Er bricht schnell auf, um
fortzugehen) Gerastet hab' ich und süß geruht. (er geht nach hinten) SIEGLINDE (lebhaft sich
umwendend) Wer verfolgt dich, daß du schon fliehst? SIEGMUND (von ihrem Rufe gefesselt,
wendet sich wieder; langsam und düster) Mißwende folgt mir, wohin ich fliehe; (Er schreitet schnell bis zur
Tür und hebt den Riegel) SIEGLINDE (in heftigem Selbstvergessen
ihm nachrufend) So bleibe hier! (Siegmund bleibt tief
erschüttert stehen; er forscht in Sieglindes Mienen; diese schlägt verschämt
und traurig die Augen nieder. Langes Schweigen) SIEGMUND (kehrt zurück) Wehwalt hieß ich mich selbst: (Er lehnt sich an den Herd;
sein Blick haftet mit ruhiger und entschlossener Teilnahme an Sieglinde; diese
hebt langsam das Auge wieder zu ihm auf. Beide blicken sich in langem Schweigen
mit dem Ausdruck tiefster Ergriffenheit in die Augen).
|