ZWEITE
SZENE
Allmählich sind die Wogen in Gewölke übergegangen,
welches, als eine immer heller dämmernde Beleuchtung dahinter tritt, zu
feinerem Nebel sich abklärt. Als der Nebel in zarten Wölkchen gänzlich sich in
der Höhe verliert, wird im Tagesgrauen eine freie Gegend auf Bergeshöhen
sichtbar. - Der hervorbrechende Tag beleuchtet mit wachsendem
Glanze eine Burg mit blinkenden Zinnen, die auf einem Felsgipfel im
Hintergrunde steht; zwischen diesem burggekrönten Felsgipfel und dem
Vordergrunde der Szene ist ein tiefes Tal, durch welches der Rhein fließt,
anzunehmen. - Zur Seite auf blumigem Grunde liegt Wotan, neben ihm Fricka, beide schlafend. |
|
Die Burg ist ganz sichtbar geworden. |
|
FRICKA (erwacht; ihr Blick fällt auf die Burg; sie staunt
und erschrickt) Wotan, Gemahl, erwache! |
|
WOTAN (im Traume leise) Der Wonne seligen Saal |
|
FRICKA (rüttelt ihn) Auf, aus der Träume wonnigem Trug! |
|
WOTAN (erwacht und erhebt sich ein wenig, sein Auge wird
sogleich vom Anblick der Burg gefesselt) Vollendet das ewige Werk! |
|
FRICKA Nur Wonne schafft dir, was mich
erschreckt? |
|
Die Burg ist fertig, verfallen das Pfand: WOTAN Wohl dünkt mich's, was sie bedangen, |
|
FRICKA O lachend frevelnder Leichtsinn! |
|
WOTAN (ruhig) Gleiche Gier war Fricka wohl fremd, |
|
FRICKA Um des Gatten Treue besorgt, |
|
Doch du bei dem Wohnbau sannst auf Wehr und Wall allein; Herrschaft und Macht soll er dir mehren; nur rastlosern Sturm zu erregen, erstand dir die ragende Burg. |
|
WOTAN (lächelnd) Wolltest du Frau in der Feste mich
fangen, |
|
FRICKA Liebeloser, leidigster Mann! |
|
WOTAN (ernst) Um dich zum Weib zu gewinnen, |
|
FRICKA (mit ängstlicher Spannung in die Szene blickend) So schirme sie jetzt: in schutzloser
Angst FREIA (tritt wie in hastiger Flucht auf) Hilf mir, Schwester! Schütze mich,
Schwäher! |
|
WOTAN Laß ihn droh'n! Sahst du nicht Loge? FRICKA Daß am liebsten du immer dem
Listigen traust! |
|
WOTAN Wo freier Mut frommt, |
|
FRICKA Und er läßt dich allein! FREIA Wo harren meine Brüder, daß Hilfe
sie brächten, FRICKA Die in bösem Bund dich verrieten, |
|
(Fasolt und Fafner, beide in riesiger Gestalt, mit starken Pfählen
bewaffnet, treten auf) |
|
FASOLT Sanft
schloß Schlaf dein Aug'; |
|
(Auf die Burg deutend) Dort
steht's, was wir stemmten, |
|
WOTAN Nennt, Leute, den Lohn: |
|
FASOLT Bedungen
ist, was tauglich uns dünkt: WOTAN (schnell) Seid ihr bei Trost mit eurem Vertrag? |
|
FASOLT (steht, in höchster Bestürzung, einen Augenblick
sprachlos) Was sagst
du? Ha, sinnst
du Verrat? Die dein
Speer birgt,sind sie dir Spiel, des berat'nen Bundes Runen? FAFNER (höhnisch) Getreu'ster Bruder, |
|
FASOLT Lichtsohn
du, leicht gefügter! |
|
Was du bist, bist du nur durch Verträge; bedungen ist, wohl bedacht deine Macht. Bist weiser du, als witzig wir sind, bandest uns Freie zum Frieden du: all deinem Wissen fluch' ich, fliehe weit deinen Frieden, weißt du nicht offen, ehrlich und frei Verträgen zu wahren die Treu'! Ein dummer Riese rät dir das: Du Weiser, wiss' es von ihm. WOTAN Wie schlau für Ernst du achtest, |
|
FASOLT Höhnst du
uns? Ha, wie
unrecht! |
|
Wir Plumpen plagen uns schwitzend mit schwieliger Hand, ein Weib zu gewinnen, das wonnig und mild bei uns Armen wohne; und verkehrt nennst du den Kauf? |
|
FAFNER Schweig' dein faules Schwatzen, |
|
(leise) Goldene Äpfel wachsen in ihrem Garten; (grob) Ihrer Mitte drum sei sie entführt! |
|
WOTAN (für sich) Loge säumt zu lang! FASOLT Schlicht gib nun Bescheid! WOTAN Sinnt auf andern Sold! |
|
FASOLT Kein
andrer: Freia allein! FAFNER Du da! Folg' uns fort! (Sie dringen auf Freia zu) FREIA (fliehend) Helft! Helft, vor den Harten! |
|
FROH (Freia in seine Arme fassend) Zu mir, Freia! Meide sie, Frecher! |
|
DONNER (sich vor die beiden Riesen stellend) Fasolt und Fafner, FAFNER Was soll das Drohn? |
|
FASOLT Was dringst
du her? |
|
DONNER Schon oft zahlt' ich Riesen den Zoll. (er schwingt den Hammer) |
|
(er schwingt den Hammer) WOTAN (seinen Speer zwischen den Streitenden
ausstreckend) Halt, du Wilder! Nichts durch Gewalt! |
|
Verträge schützt meines Speeres Schaft: spar' deines Hammers Heft! |
|
FREIA Wehe! Wehe! Wotan verläßt mich! FRICKA Begreif' ich dich noch, grausamer
Mann? |
|
WOTAN (wendet sich ab und sieht Loge kommen) Endlich Loge! Eiltest du so, |
|
LOGE (ist im Hintergrunde aus dem Tale heraufgestiegen) Wie? Welchen Handel hätt' ich
geschlossen? |
|
In Tiefen und Höhen treibt mich mein Hang; Haus und Herd behagt mir nicht. |
|
Donner und Froh, die denken an Dach und Fach, wollen sie frei'n, ein Haus muß sie erfreu'n. |
|
Ein stolzer Saal, ein starkes Schloß, danach stand Wotans Wunsch. Haus und Hof, Saal und Schloß, die selige Burg, sie steht nun fest gebaut. |
|
Haus und Hof, Saal und Schloß, Das Prachtgemäuer prüft' ich selbst, |
|
Nicht müßig war ich, wie mancher
hier; der lügt, wer lässig mich schilt! |
|
WOTAN Arglistig weichst du mir aus: |
|
Von allen Göttern dein einz'ger Freund, nahm ich dich auf in der übel trauenden Troß. Nun red' und rate klug! Da einst die Bauer der Burg zum Dank Freia bedangen, du weißt, nicht anders willigt' ich ein, als weil auf Pflicht du gelobtest, zu lösen das hehre Pfand. |
|
LOGE Mit höchster Sorge drauf zu sinnen, FRICKA (zu Wotan) Sieh, welch trugvollem Schelm du
getraut! |
|
FROH Loge heißt du, DONNER Verfluchte Lohe, dich lösch' ich aus! LOGE Ihre Schmach zu decken, |
|
(Donner holt auf Loge aus) WOTAN (tritt dazwischen) In Frieden laßt mir den Freund! Nicht kennt ihr Loges Kunst: |
|
FAFNER Nichts gezögert! Rasch gezahlt! FASOLT Lang
währt's mit dem Lohn! WOTAN (wendet sich hart zu Loge, drängend) Jetzt hör', Störrischer! Halte Stich! |
|
LOGE Immer ist Undank Loges Lohn! |
|
Für dich nur besorgt, sah ich mich um, durchstöbert' im Sturm alle Winkel der Welt, Ersatz für Freia zu suchen, wie er den Riesen wohl recht. |
|
Umsonst sucht' ich, und sehe nun
wohl: (Alle geraten in Erstaunen und verschiedenartige
Betroffenheit) |
|
So weit Leben und Weben, Doch so weit Leben und Weben, |
|
Des Rheines klare Kinder klagten mir ihre Not: der Nibelung, Nacht-Alberich, buhlte vergebens um der Badenden Gunst; das Rheingold da raubte sich rächend der Dieb: das dünkt ihn nun das teuerste Gut, hehrer als Weibes Huld. Um den gleißenden Tand, der Tiefe entwandt, erklang mir der Töchter Klage: an dich, Wotan, wenden sie sich, daß zu Recht du zögest den Räuber, das Gold dem Wasser wieder gebest, und ewig es bliebe ihr Eigen. |
|
(Hingebende Bewegung aller) Dir's zu melden, gelobt' ich den
Mädchen: |
|
WOTAN Törig bist du, wenn nicht gar
tückisch! |
|
FASOLT (der
aufmerksam zugehört, zu Fafner) Nicht gönn'
ich das Gold dem Alben; FAFNER Neue Neidtat sinnt uns der Niblung, |
|
Du da, Loge! Sag' ohne Lug: LOGE Ein Tand ist's in des Wassers Tiefe, |
|
WOTAN (sinnend) Von des Rheines Gold hört' ich raunen: FRICKA (leise zu Loge) Taugte wohl des goldnen Tandes LOGE Des Gatten Treu' ertrotzte die Frau, |
|
FRICKA (schmeichelnd zu Wotan) Gewänne mein Gatte sich wohl das
Gold? WOTAN (wie in einem Zustande wachsender Bezauberung) Des Reifes zu walten, |
|
LOGE Ein Runenzauber zwingt das Gold zum
Reif; |
|
(Wotan wendet sich unmutig ab) |
|
Das sparst du wohl; zu spät auch
kämst du: (grell) geraten ist ihm der Ring! |
|
DONNER |
|
WOTAN (grell) So rate, wie? LOGE Durch Raub! Was ein Dieb stahl, das stiehlst du
dem Dieb; |
|
(mit Wärme) das Gold wiederzugeben; |
|
WOTAN |
|
(Wotan steht stumm mit sich kämpfend; die übrigen
Götter heften in schweigender Spannung die Blicke auf ihn. Währenddem hat
Fafner beiseite mit Fasolt beraten) |
|
FAFNER (zu Fasolt) Glaub' mir, mehr als Freia (Fasolts Gebärde deutet an, daß er sich wider
Willen überredet fühlt. Fafner tritt mit Fasolt wieder an Wotan heran.) |
|
Hör', Wotan, der Harrenden Wort! WOTAN Seid ihr bei Sinn? |
|
FAFNER Schwer baute dort sich die Burg; WOTAN Für euch müht' ich mich um den Alben? |
|
FASOLT (ergreift plötzlich Freia und führt sie mit Fafner
zur Seite) Hieher,
Maid! In unsre Macht! FREIA (wehklagend) Wehe! Wehe! Wehe! (alle Götter sind in höchster Bestürzung) |
|
FAFNER Fort von hier sei sie entführt! FASOLT Zu End' ist
die Frist dann, |
|
FREIA (schreiend) Schwester! Brüder! Rettet! Helft! (sie wird von den hastig enteilenden Riesen
fortgetragen) |
|
FROH Auf, ihnen nach! DONNER Breche denn alles! (Sie blicken Wotan fragend an) FREIA (aus weiter Ferne) Rettet! Helft! |
|
LOGE (den Riesen nachsehend) Über Stock und Stein zu Tal stapfen
sie hin: Wie taumeln die Tölpel dahin! |
|
(er wendet sich zu den Göttern) Was sinnt nun Wotan so wild? (Ein fahler Nebel erfüllt mit wachsender Dichtheit
die Bühne; in ihm erhalten die Götter ein zunehmend bleiches und ältliches
Aussehen: alle stehen bang und erwartungsvoll auf Wotan blickend, der sinnend
die Augen an den Boden heftet) LOGE Trügt mich ein Nebel? |
|
Frisch, mein Froh, noch ist's ja früh! | |
Deiner Hand, Donner, entsinkt ja der Hammer! | |
Was ist's mit Fricka? Freut sie sich wenig FRICKA Wehe! Wehe! Was ist geschehen? |
|
DONNER Mir sinkt die Hand! FROH Mir stockt das Herz! |
|
LOGE Jetzt fand' ich's: hört, was euch
fehlt! |
|
Doch ihr setztet alles auf das jüngende Obst: das wußten die Riesen wohl; auf eurer Leben legten sie's an: nun sorgt, wie ihr das wahrt! Ohne die Äpfel, alt und grau, greis und grämlich, welkend zum Spott aller Welt, erstirbt der Götter Stamm. |
|
FRICKA (bang) Wotan, Gemahl, unsel'ger Mann! |
|
WOTAN (mit plötzlichem Entschluß auffahrend) Auf, Loge, hinab mit mir! LOGE Die Rheintöchter riefen dich an: WOTAN (heftig) Schweige, Schwätzer! |
|
LOGE Wie du befiehlst WOTAN Nicht durch den Rhein! |
|
LOGE So schwingen wir uns durch die
Schwefelkluft. (Er geht voran und verschwindet seitwärts in einer
Kluft, aus der sogleich ein schwefliger Dampf hervorquillt) WOTAN Ihr andern harrt bis Abend hier: |
|
(Er steigt Loge nach in die Kluft hinab: der aus
ihr dringende Schwefeldampf verbreitet sich über die ganze Bühne und erfüllt
diese schnell mit dickem Gewölk. Bereits sind die Zurückbleibenden unsichtbar.) DONNER Fahre wohl, Wotan! FROH Glück auf! Glück auf! FRICKA O kehre bald zur bangenden Frau! (Der Schwefeldampf verdüstert sich bis zu ganz
schwarzem Gewölk, welches von unten nach oben steigt; dann verwandelt sich
dieses in festes, finsteres Steingeklüft, das sich immer aufwärts bewegt, so
daß es den Anschein hat, als sänke die Szene immer tiefer in die Erde hinab.
Wachsendes Geräusch wie von Schmiedenden wird überallher vernommen.) |