DRITTE SZENE

Siegmund allein.

Es ist vollständig Nacht geworden; der Saal ist nur noch von einem schwachen Feuer im Herde erhellt. Siegmund läßt sich, nah beim Feuer, auf dem Lager nieder und brütet in großer innerer Aufregung eine Zeitlang schweigend vor sich hin.

SIEGMUND

Ein Schwert verhieß mir der Vater,
ich fänd' es in höchster Not.

Waffenlos fiel ich in Feindes Haus;
seiner Rache Pfand, raste ich hier: -
ein Weib sah ich, wonnig und hehr:
entzückend Bangen zehrt mein Herz.
Zu der mich nun Sehnsucht zieht,
die mit süßem Zauber mich sehrt,
im Zwange hält sie der Mann,
der mich Wehrlosen höhnt!

Wälse! Wälse! Wo ist dein Schwert?
Das starke Schwert,
das im Sturm ich schwänge,
bricht mir hervor aus der Brust,
was wütend das Herz noch hegt?

Das Feuer bricht zusammen; es fällt aus der aufsprühenden Glut plötzlich ein greller Schein auf die Stelle des Eschenstammes, welche Sieglindes Blick bezeichnet hatte und an der man jetzt deutlich einen Schwertgriff haften sieht

Was gleißt dort hell im Glimmerschein?
Welch ein Strahl bricht aus der Esche Stamm?
Des Blinden Auge leuchtet ein Blitz:
lustig lacht da der Blick.

Wie der Schein so hehr das Herz mir sengt!
Ist es der Blick der blühenden Frau,
den dort haftend sie hinter sich ließ,
als aus dem Saal sie schied?

(Von hier an verglimmt das Herdfeuer allmählich).

Nächtiges Dunkel deckte mein Aug',
ihres Blickes Strahl streifte mich da:
Wärme gewann ich und Tag.
Selig schien mir der Sonne Licht;
den Scheitel umgliß mir ihr wonniger Glanz -
bis hinter Bergen sie sank.

(Ein neuer schwacher Aufschein des Feuers)

Noch einmal, da sie schied,
traf mich abends ihr Schein;
selbst der alten Esche Stamm
erglänzte in goldner Glut:

da bleicht die Blüte, das Licht verlischt;
nächtiges Dunkel deckt mir das Auge:
tief in des Busens Berge glimmt nur noch lichtlose Glut.

(Das Feuer ist gänzlich verloschen: volle Nacht.
Das Seitengemach öffnet sich leise: Sieglinde, in weißem Gewande, tritt heraus und schreitet leise, doch rasch, auf den Herd zu).

SIEGLINDE

Schläfst du, Gast?

SIEGMUND

(freudig überrascht aufspringend)

Wer schleicht daher?

SIEGLINDE

(mit geheimnisvoller Hast)

Ich bin's: höre mich an!
In tiefem Schlaf liegt Hunding;
ich würzt' ihm betäubenden Trank:
nütze die Nacht dir zum Heil!

SIEGMUND

(hitzig unterbrechend)

Heil macht mich dein Nah'n!

SIEGLINDE

Eine Waffe laß mich dir weisen: o wenn du sie gewännst!
Den hehrsten Helden dürft' ich dich heißen:
dem Stärksten allein ward sie bestimmt.
O merke wohl, was ich dir melde!

Der Männer Sippe saß hier im Saal,
von Hunding zur Hochzeit geladen:
er freite ein Weib,
das ungefragt Schächer ihm schenkten zur Frau.

Traurig saß ich, während sie tranken;
ein Fremder trat da herein:
ein Greis in blauem Gewand;
tief hing ihm der Hut,
der deckt' ihm der Augen eines;

doch des andren Strahl, Angst schuf es allen,
traf die Männer sein mächtiges Dräu'n:
mir allein weckte das Auge
süß sehnenden Harm,
Tränen und Trost zugleich.

Auf mich blickt' er und blitzte auf jene,

als ein Schwert in Händen er schwang;
das stieß er nun in der Esche Stamm,
bis zum Heft haftet' es drin:
dem sollte der Stahl geziemen,

der aus dem Stamm es zög'.

Der Männer alle, so kühn sie sich mühten,
die Wehr sich keiner gewann;
Gäste kamen und Gäste gingen,
die stärksten zogen am Stahl -

keinen Zoll entwich er dem Stamm:
dort haftet schweigend das Schwert. -
Da wußt' ich, wer der war,
der mich Gramvolle gegrüßt; ich weiß auch,
wem allein im Stamm das Schwert er bestimmt.

O fänd' ich ihn hier und heut', den Freund;
käm' er aus Fremden zur ärmsten Frau.
Was je ich gelitten in grimmigem Leid,
was je mich geschmerzt in Schande und Schmach, -
süßeste Rache sühnte dann alles!

Erjagt hätt' ich, was je ich verlor,
was je ich beweint, wär' mir gewonnen,
fänd' ich den heiligen Freund,
umfing' den Helden mein Arm!

SIEGMUND

(mit Glut Sieglinde umfassend)

Dich selige Frau hält nun der Freund,
dem Waffe und Weib bestimmt!
Heiß in der Brust brennt mir der Eid,
der mich dir Edlen vermählt.

Was je ich ersehnt, ersah ich in dir;
in dir fand ich, was je mir gefehlt!
Littest du Schmach,
und schmerzte mich Leid;
war ich geächtet, und warst du entehrt:
freudige Rache lacht nun den Frohen!

Auf lach' ich in heiliger Lust,
halt' ich dich Hehre umfangen,
fühl' ich dein schlagendes Herz!

(Die große Türe springt auf)

SIEGLINDE

(fährt erschrocken zusammen und reißt sich los.)

Ha, wer ging? Wer kam herein?

(Die Tür bleibt weit geöffnet: außen herrliche Frühlingsnacht; der Vollmond leuchtet herein und wirft sein helles Licht auf das Paar, das so sich plötzlich in voller Deutlichkeit wahrnehmen kann)

SIEGMUND

(in leiser Entzückung)

Keiner ging - doch einer kam:
siehe, der Lenz lacht in den Saal!

(Siegmund zieht Sieglinde mit sanfter Gewalt zu sich auf das Lager, so daß sie neben ihm zu sitzen kommt.
Wachsende Helligkeit des Mondscheines)

Winterstürme wichen
dem Wonnemond,
in mildem Lichte leuchtet der Lenz;
auf linden Lüften leicht und lieblich,
Wunder webend er sich wiegt;
durch Wald und Auen weht sein Atem,
weit geöffnet lacht sein Aug': -
aus sel'ger Vöglein Sange süß er tönt,
holde Düfte haucht er aus;
seinem warmen Blut entblühen wonnige Blumen,
Keim und Sproß entspringt seiner Kraft.

Mit zarter Waffen Zier bezwingt er die Welt;
Winter und Sturm wichen der starken Wehr:
wohl mußte den tapfern Streichen
die strenge Türe auch weichen,
die trotzig und starr uns trennte von ihm. -

Zu seiner Schwester schwang er sich her;
die Liebe lockte den Lenz:
in unsrem Busen barg sie sich tief;
nun lacht sie selig dem Licht.

Die bräutliche Schwester befreite der Bruder;
zertrümmert liegt, was je sie getrennt:
jauchzend grüßt sich das junge Paar:
vereint sind Liebe und Lenz!

SIEGLINDE
Du bist der Lenz, nach dem ich verlangte
in frostigen Winters Frist.

Dich grüßte mein Herz mit heiligem Grau'n,
als dein Blick zuerst mir erblühte.
Fremdes nur sah ich von je,
freudlos war mir das Nahe.
Als hätt' ich nie es gekannt, war, was immer mir kam.

Doch dich kannt' ich deutlich und klar:
als mein Auge dich sah,
warst du mein Eigen;
was im Busen ich barg, was ich bin,
hell wie der Tag taucht' es mir auf,
o wie tönender Schall schlug's an mein Ohr,
als in frostig öder Fremde
zuerst ich den Freund ersah.

(Sie hängt sich entzückt an seinen Hals und blickt ihm nahe ins Gesicht)

SIEGMUND

(mit Hingerissenheit)

O süßeste Wonne!
O seligstes Weib!

SIEGLINDE

(dicht an seinen Augen)

O laß in Nähe zu dir mich neigen,
daß hell ich schaue den hehren Schein,
der dir aus Aug' und Antlitz bricht
und so süß die Sinne mir zwingt.

SIEGMUND

Im Lenzesmond leuchtest du hell;
hehr umwebt dich das Wellenhaar:
was mich berückt, errat' ich nun leicht,
denn wonnig weidet mein Blick.

SIEGLINDE

(schlägt ihm die Locken von der Stirn zurück und betrachtet ihn staunend)

Wie dir die Stirn so offen steht,
der Adern Geäst in den Schläfen sich schlingt!
Mir zagt es vor der Wonne, die mich entzückt!
Ein Wunder will mich gemahnen:
den heut' zuerst ich erschaut,
mein Auge sah dich schon!

SIEGMUND

Ein Minnetraum gemahnt auch mich:
in heißem Sehnen sah ich dich schon!

SIEGLINDE

Im Bach erblickt' ich mein eigen Bild -
und jetzt gewahr' ich es wieder:
wie einst dem Teich es enttaucht,
bietest mein Bild mir nun du!

SIEGMUND

Du bist das Bild,
das ich in mir barg.

SIEGLINDE

(den Blick schnell abwendend)

O still! Laß mich der Stimme lauschen:

mich dünkt, ihren Klang
hört' ich als Kind.

(aufgeregt)

Doch nein! Ich hörte sie neulich,
als meiner Stimme Schall
mir widerhallte der Wald.

SIEGMUND

O lieblichste Laute,
denen ich lausche!

SIEGLINDE

(ihm wieder in die Augen spähend)

Deines Auges Glut erglänzte mir schon:
so blickte der Greis grüßend auf mich,
als der Traurigen Trost er gab.
An dem Blick erkannt' ihn sein Kind -
schon wollt' ich beim Namen ihn nennen!

(Sie hält inne und fährt dann leise fort)

Wehwalt heißt du fürwahr?

SIEGMUND

Nicht heiß' ich so, seit du mich liebst:
nun walt' ich der hehrsten Wonnen!

SIEGLINDE

Und Friedmund darfst du
froh dich nicht nennen?

SIEGMUND

Nenne mich du, wie du liebst, daß ich heiße:
den Namen nehm' ich von dir!

SIEGLINDE

Doch nanntest du Wolfe den Vater?

SIEGMUND

Ein Wolf war er feigen Füchsen!
Doch dem so stolz strahlte das Auge,
wie, Herrliche, hehr dir es strahlt,
der war: - Wälse genannt.

SIEGLINDE

(außer sich)

War Wälse dein Vater, und bist du ein Wälsung,
stieß er für dich sein Schwert in den Stamm,
so laß mich dich heißen, wie ich dich liebe:

Siegmund - so nenn' ich dich!

SIEGMUND

(springt auf den Stamm zu und faßt den Schwertgriff)

Siegmund heiß' ich und Siegmund bin ich!
Bezeug' es dies Schwert, das zaglos ich halte!
Wälse verhieß mir, in höchster Not
fänd' ich es einst: ich faß' es nun!

Heiligster Minne höchste Not,
sehnender Liebe sehrende Not
brennt mir hell in der Brust,
drängt zu Tat und Tod:
Notung! Notung! So nenn' ich dich, Schwert -

Notung! Notung! Neidlicher Stahl!
Zeig' deiner Schärfe schneidenden Zahn:
heraus aus der Scheide zu mir!

(Er zieht mit einem gewaltigen Zuck das Schwert aus dem Stamme und zeigt es der von Staunen und Entzücken erfaßten Sieglinde)

Siegmund, den Wälsung, siehst du, Weib!
Als Brautgabe bringt er dies Schwert:
so freit er sich
die seligste Frau;
dem Feindeshaus entführt er dich so.

Fern von hier folge mir nun,
fort in des Lenzes lachendes Haus:

dort schützt dich Notung, das Schwert,
wenn Siegmund dir liebend erlag!

(Er hat sie umfaßt, um sie mit sich fortzuziehen).

SIEGLINDE

(reißt sich in höchster Trunkenheit von ihm los und stellt sich ihm gegenüber)

Bist du Siegmund, den ich hier sehe,
Sieglinde bin ich, die dich ersehnt:
die eigne Schwester
gewannst du zu eins mit dem Schwert!

SIEGMUND

Braut und Schwester bist du dem Bruder -
so blühe denn, Wälsungen-Blut!

(Er zieht sie mit wütender Glut an sich; sie sinkt mit einem Schrei an seine Brust. Der Vorhang fällt schnell)